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5 September 2025

Dokumentarfilm: Reclaiming Cocoa 

Die Premiere des Films fand Anfang 2025 in Accra (Ghana) und im Rahmen des Schoggifestivals ehrundredlich in Zürich (Schweiz) statt, inklusive einer Podiumsdiskussion mit den Protagonist:innen Jeanne Donkoh (Bioko Treats), Nana Aduna II (Ohene Cacao) und dem Filmemacher Philippe Stalder, moderiert von Andrea Hüsser (Good Chocolate Hub).

Der Dokumentarfilm „Reclaiming Cocoa“ von Philippe Stalder bietet eine tiefgehende investigative Recherche über die komplexe und vielfach problematische Wertschöpfungskette des Kakaos zwischen Ghana und der Schweiz. Der Film verbindet historische Einblicke, persönliche Lebensgeschichten und aktuelle Enthüllungen, um die vielfachen Ungerechtigkeiten und Herausforderungen der globalen Schokoladenindustrie aufzudecken – und zugleich hoffnungsvolle Perspektiven aufzuzeigen. 

Ausgangspunkt ist Ghana, der zweitgrößte Kakaoproduzent der Welt mit einem Anteil von etwa 20% an der globalen Produktion. Für die ländlichen Gemeinden dort ist Kakao weit mehr als ein Rohstoff – er ist existenzielle Lebensgrundlage und Teil der gesellschaftlichen Struktur. Doch trotz dieser Bedeutung fliesst der Grossteil des wirtschaftlichen Werts nach Europa, vor allem in die Schweiz, wo grosse Schokoladenkonzerne (z.B. Nestlé, Lindt) ihren Hauptsitz haben und die Wertschöpfungskette dominieren. 

Der Film begleitet die mehrgenerationale Familie Nartey aus Ghana, deren Kinder, statt zur Schule zu gehen auf den Kakaoplantagen arbeiten müssen. Diese persönlichen Geschichten verdeutlichen die sozialen Realitäten für Kleinbauern und – bäuerinnen und ihre Familien, die trotz harter Arbeit kaum angemessen vom globalen Schokoladenmarkt profitieren. Dargestellt werden im Film systematische Missstände im Kakaosektor wie Kinderarbeit, niedrige Bezahlung für Farmer:innen, fehlende Transparenz und Ausbeutung durch Zwischenhändler. 

Besonders aufsehenerregend sind die Recherchen, die auffällige Betrugspraktiken aufdecken: Zwischenhändler manipulieren Waagen, fälschen Dokumente und vermischen zertifizierte Bio- oder Fairtrade-Bohnen mit konventionellen Kakaobohnen. So bleiben viele Versprechen von Rückverfolgbarkeit, fairen Preisen und Nachhaltigkeit internationaler Schokoladenunternehmen oft nur Marketingstrategie. Das System zeigt sich als ein Geflecht aus Undurchsichtigkeit und Profitmaximierung zulasten der Produzent:innen. 

Historisch setzt der Film die heutigen und schon langjährigen Problematiken im Kakaosektor in Ghana in den Kontext der Kolonialgeschichte: Schweizer Missionare (Basler Mission) brachten im 19. Jahrhundert nicht nur das Christentum nach Ghana, sondern pflanzten 1848 auch die ersten Kakaobäume und legten so den Grundstein für ein kolonial geprägtes Handelssystem zwischen Ghana und der Schweiz, obwohl die Schweiz formal keine Kolonien besass. Die Basler Handelsgesellschaft, gegründet im 19. Jahrhundert, wurde zu einer der wichtigsten Akteurinnen im britischen Protektorat Goldküste (heute Ghana). Sie organisierte den Export von Kakao im grossen Stil und trug dazu bei, dass Ghana bis 1911 zum weltweit grössten Kakaoproduzenten wurde – ein Handelssystem, das bis heute eine extreme Ungleichheit in den Macht- und Wertstrukturen des Kakaohandels reproduziert. 

Der Film Reclaiming Cacao kritisiert zudem die komplexen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Ghana, die es lokalen Unternehmer:innen erschweren, mit Kakao Wertschöpfung vor Ort zu generieren. Es existiert ein exportorientiertes System (Kakao als Cash Crop), sodass selbst lokale Unternehmen den Kakao re-importieren und hohe Zölle darauf zahlen müssen. Zentral in diesem System ist das Ghana Cocoa Board (COCOBOD), eine staatliche Behörde, die als eine Art „Kakaoministerium“ fungiert. COCOBOD kontrolliert die Preise für Kakaobohnen und hat das exklusive Recht, den Kakaohandel im Land zu regulieren. Sämtlicher Kakao-Geschäftsverkehr läuft über COCOBOD, das den Kakaomarkt überwacht und den Export kanalisiert. Diese Monopolstellung von COCOBOD soll die Bauernfamilien vor Schwankungen des Kakao-Weltmarktpreises schützen, beschränkt aber gleichzeitig die Handlungsmöglichkeiten lokaler Produzent:innen und Unternehmer:innen, direkt auf dem Markt aktiv zu werden oder Mehrwert vor Ort zu schaffen und. Dieser Schutz funktioniert allerdings vor allem nur in eine Richtung: Wenn die Weltmarktpreise für Kakao fallen, stabilisiert COCOBOD die Farmgate-Preise (Preise, die Landwirte direkt beim Verkauf ihrer Produkte vom Hof aus erzielen, bevor sie Transport-, Verarbeitungs- und Marketingkosten anfallen) durch Preiskontrollen und einen Stabilitätsfonds. Steigen die internationalen Preise hingegen stark an (wie im letzten Jahr), können die Farmer:innen oft nicht in gleichem Masse davon profitieren, da COCOBOD grosse Mengen per Vorausverkäufen zu festen Preisen absichert.  

Neben der kritischen Aufarbeitung beleuchtet der Film aber auch positive Impulse, etwa das ghanaische Schokoladenunternehmen Bioko Treats, dessen Gründerin Jeanne Donkoh handwerkliche Schokolade direkt vor Ort produziert und damit ein Beispiel für neue lokale Wertschöpfung und fairen Handel in der Kakaobranche setzt. Oder innovative Unternehmen wie KOA, die in Ghana aus dem Kakaofruchtfleisch, Kakaosaft herstellen und den Kakaofarmer:innen ein diversifiziertes Einkommen ermöglichen.  

Der Film “Reclaiming Cocoa” zeigt, dass nur durch eine gerechtere Verteilung des wirtschaftlichen Mehrwerts vor allem die Menschen vor Ort – mit besseren Lebensbedingungen, Bildung und mehr ökonomischer Unabhängigkeit – langfristig von der weltweiten Nachfrage nach Schokolade profitieren können. 

Grosse Empfehlung, wenn du mal hinter die Kulissen der Kakaoproduktion in Ghana schauen möchtest.

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